Prächtiger Herbstsonnenschein lacht, als wir zu Rad aus der Stadt fahren, die Regensburgerstraße abwärts, vorbei an dem alten Pifliß. Über den silbernen Strang der Isar winkt uns manche wohlbekannte Stätte herüber: Duniwang, Gretlsmühle, die Burgställe von Straßburg, Sterneck, Schaumburg und die Geburtsstätte des letzten Hohenstaufers, Wolfstein. Aber auch die hochgelegene Kirche von Frauenberg glänzt in funkelnder Helle am blauen Himmel. Bald hinter Ahrain geht es dann nach rechts. Eine altersgraue schwanke Brücke führt über die Isar und schon liegt nach etwas mehr als einstündiger Fahrt vor uns das Ziel: Niederaichbach.
Am Ausgang des Aichbachtales liegt hingeschmiegt das ansehliche Dorf. Über ihm thront auf dem Buchberg das wohlbehäbige Schloss. Zierliche Balustraden hängen wie Schwalbennester an den hellen Wänden. Talaufwärts schließen sich die Ökonomiegebäude an. Der Ort wird bereits im zwölften Jahrhundert als Eihbach genannt = zum Eichbache, zum Bach aus dem Aichach = Eichenwald.
Als Herr des Schlosses wird ein „Magens de Eichbach“ als Zeuge auf einer Schenkungsurkunde aufgeführt. Er war herzoglicher Ministerialer. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts waren die Aichpekhen auf ihrem Stammsitze. Doch nur wenig Kunde ist von ihrem Tun zu uns gedrungen. Dann werden Albrecht und Jörg von Staudach als die Besitzer des Schlosses genannt. Bis 1420 die Hermstörfer von Hörmannsdorf ihnen folgen. Als erster von ihnen wird „der erbar bescheidene Peter der Hermstorfer zu Nidern Aichpach“ genannt. 1444 erhielt Degenhart der Hermstorfer für treue Dienste das Hofmarksrecht vom Herzogshaus verliehen.
Aber schon 35 Jahre später, nehmen die Söhne Ulrich und Albrecht eine Teilung des väterlichen Erbes vor. Albrecht übernahm die Herrschaft „zum Turm“ gegen das Schloß und Ulrich die Herrschaft „zum Haus“ gegen das Dorf zu. Der Streit der Brüder, der zur Teilung geführt hatte, ging jedoch weiter und schließlich verletzte Ulrich seinen Bruder so schwer, dass dieser starb. Dadurch hatte der Brudermörder auch die herzoglichen Lehen verwirkt. 1507 wurde das Lehen dem Sigmund von Königsfeld, einem Verwandten der Hermstorfer, zugesprochen. 250 Jahre blieb der Edelsitz in den Händen der Königsfelder. Über deren Ursprung sind sich die Chronisten nicht einig. Nur so viel dürfte feststehen, dass das Geschlecht aus Franken stammt und in Königsfeld bei Wolnzach in der Hallertau eine bayerische Linie gründete. Auch in Kärnten war das Geschlecht lange begütert. 1654 wurden die Königsfelder in den Freiherrenstand erhoben und 1688 zu Grafen ernannt. Auch in Landshut waren die Königsfelder begütert und heute noch trägt eine Gasse, die an ihrem einstigen Stadthause vorbeiführte, ihren Namen. Nach dem Aussterben der Grafen von Königsfeld 1759 traten die Grafen von Closen das Erbe an. Diesen folgten 1762 bis in das 19. Jahrhundert hinein die Grafen von Freyen-Seyboltstorff. Später kamen die de Weerth und dann der Berliner Bankier Otto von Mendelssohn. Seit 1925 aber hat das Gut und Schloss Niederaichbach wieder einen Herren aus altem bayrischen Adel gefunden in dem Fürsten Lois Philippe von Thurn und Taxis.
Wann Ort und Schloss entstanden ist, kann heute nicht mehr ergründet werden. Inmitten des Dorfes steht das kleine Barockkirchlein St. Nikolaus, eine Nebenkirche zu Niederviehbach, 1678 von Freiherr Franz Nikolaus von Königsfeld erbaut. Auch die Einrichtung der Kirche ist einheitlich barock, ein in Dorfkirchen seltener Anblick. Das ziemlich ausgedehnte Dorf zeigt heute eine stattliche Reiche Neubauten, größerer und bescheidener Häuser und Häuschen, die sich mit den alten zu einem einheitlichen Bilde vermengen. Eine Reihe von Holzbauten ist ebenfalls noch zu sehen.
Das Schloss, hoch über dem Dorfe, ist in der Hauptsache im 17. Jahrhundert entstanden. Es ist eine unregelmäßige viereckige Anlage. Sie entstand anstelle einer früheren Anlage, die nur aus 2 Türmen bestanden haben soll. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Schloss stark verändert, so dass es heute modernen Charakter trägt. Es birgt auch eine Schlosskapelle St. Barbara, die, ebenfalls im Barock, 1682 konsekriert wurde. Der barocke Altar ist aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Auch die Sage weiß von Niederaichbach Verschiedenes zu erzählen. So soll auf dem sogenannten Anzlberge der im Schwedenkrieg vor Niederaichbach gefallene General Anzl begraben sein. Die Öffnung eines Grabes auf diesem Berg ergab aber, dass es bereits aus der Bronzezeit stammte.
An die Weißensteiner Sage erinnert das Märchen, dass hinter dem Sarge einer Gräfin von Niederaichbach zwölf Hennlein einher gelaufen seien. Dies sollen zwölf Kindlein gewesen sein, welche die Rabenmutter bei Lebzeiten hinweggeräumt habe.
Nach einem Imbiss in der Taverne hoch über dem Isarstrome, machen wir uns auf dem Heimweg, den wir sogar noch etwas beschleunigen, da sich im Westen drohend eine Wolkenbank vorschiebt, die uns zwar eine „windige“ Fahrt beschert, aber uns noch trocken in der Heimat landen läßt.
Franz Wagner